Timelines
17.09. - 06.11.2016
Gruppenausstellung mit
Siegfried Anzinger
Patrycja German & Holger Endres
Claudia Desgranges
Peter Dreher
Jürgen Krause
Oscar Muñoz
Jens Risch
Konstantin Voit
Byung Chul Kim
Karin Hoerler
Herlinde Koelbl
Ae Hee Lee
Pia Linz
Jan Schmidt
Claus Stolz
Für seine Seidenstücke bearbeitet Jens Risch einen exakt einen Kilometer langen Seidenzwirn, indem er Knoten an Knoten setzt, so lange, bis sich kein weiterer mehr hinzufügen lässt. Sein erstes Seidenstück war nach sechs Knotdurchgängen innerhalb von vier Jahren von einem homogenen Faden zu einem korallenartigen Objekt mit den Maßen 9 × 8 × 6 cm transformiert. An den neueren Stücken arbeitet Risch täglich mindestens zwei Stunden und notiert Datum und Uhrzeit jeder knotend verbrachten Stunde. Durch die tägliche Routine verkürzt sich die Herstellungsperiode eines Knotenstücks auf ca. eineinhalb Jahre. Für die Herstellung des ausgestellten „Seidenstück IV“ hat der Künstler insgesamt 1.444 Stunden seiner Lebenszeit verwendet.
Das fertige, tausendfach mit sich selbst verschlungene Objekt mag man nicht zuletzt als Speicher der Lebenszeit des Künstlers im Verhältnis zur Weltzeit betrachten. Diese Betrachtungsweise gewinnt bei den Haarstücken noch an Überzeugungskraft. Ausgangsmaterial hierfür sind 1000 Stücke seines eigenen Haupthaares, das sich Risch dafür zuvor auf eine entsprechende Länge wachsen lassen muss. Rischs Knotenstücke fungieren aber auch als Modelle zur Reflexion aktueller Diskurse: sie stellen Fragen nach den Bedingungen von Herstellungsprozessen, dem Marktwert von Waren, ihrem Verhältnis zur geleisteten Arbeit und dem eingesetzten Material. Dem schnelllebigen Kunstmarkt stellt sich Risch in radikaler Konsequenz mit minimalem Material- und maximalem Zeitaufwand.
Jens Risch (*1973 Rudolstadt) lebt in Berlin. Er studierte von 1995 bis 1999 an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste - Städelschule in Frankfurt a.M. und war Meisterschüler bei Thomas Bayrle.
„Seidenstück IV“, 2010 - 2011, 1000 m Seide, weiß, 1 Riss, 9,5 x 7,5 x 4,5 cm. Courtesy des Künstlers und Bischo Projects. Foto: Jörg Baumann
Link zu einem Interview mit Jens Risch im Süddeutsche Zeitung Magazin